Frank Schubert - Photographie im Zeitalter der Beschleunigung | photography in the age of acceleration
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Frank Schuberts Photographien halten das Verschwinden des Realen fest. In der photographischen Dokumentation des Reisens (dromography) wird der Betrachter in die Fluchtperspektive einer sich auflösenden Welt vorbeirasender Eindrücke gezogen. Wiederum anders funktionieren Fotografien von Übertragungsstörungen hochdefinierter TV-Bilder(superDSL). Sie mutieren abstrakten Diagrammen mit klimatischen Störungen oder zellularen Wucherungen. Die klassische Öffentlichkeit wird zerlegt in Kampfzonen, in denen eindeutige politische Aussagen und Interpretationen zu Daten-Gestöber und umkämpften Wechselfeldern umgebrochen werden.
Und nun tritt photographierter Müll in plastischen Studien und Stillleben hinzu. Trash in den zahllosen Abfallkörben, in der Form eines immer unpraktischeren eng vermessenen Meublements im urbanen Raum, hat den Aggregatzustand der künstlichen Vollkommenheit und neusachlichen Schönheit, eine klinische Sauberkeit und Klarheit erreicht. Frühere Phänomene wie Schmutz, Kot und Kehricht existieren hier so gut wie gar nicht. Statt dessen gibt es konkrete Stillleben, Stoff- und Farb-Nuancen der sanften Zusammenballung und Trennung, Boten der sofortigen Wiederverwendbarkeit, des camouflierten Unterwegs und zirkulären Transportes. Warhols letzte Banane ist das nostalgische Residuum der natürlichen Verwesung von Schale und Inhalt. Der unendliche Triumph der Verpackung und Kartonage, markenförmig und global abrufbarer Stoffe, Drinks, Essrationen oder Tickets an den Tankstellen der Mobilität. Der Abfallbehälter wird zur Urne des gleichförmig getakteten Lebens, dass sich noch im Rausch des Erlebnisses bestimmter Trennwände, Schläuche, Kanalisierungen und Codes bedient, um den vulgären Kontakt mit dem Realen, Hinfälligen und dem Sterblichen nicht zu intim werden zu lassen. Schachteln und Becher setzen die Idee des universellen Containments bis ins letzte Detail fort. Die Eindämmung wird zur Flut. Arbeitsteiligkeit soll das Menu zu Hause und unterwegs in ein jederzeit zusammenfaltbares Etwas verwandeln, jenen wegwerfbaren Schirm, ein radikal ortloses und diskontinuierliches To Go, das den Astronauten, die von diesem Planeten flöhen, zur letzten Ehre gereichte. Die Nachhaltigkeit der Entsorgung führt zur Verramschung des geordneten Lebens. Trash ist nicht das Wegwerfen des Unwesentlichen, sondern das Wesen selbst, zwischen Entledigung und Befreiung, das Anwachsen und Anschwellen des Sekundären, der Infarkt 2.0. Im einzelnen Stillleben deuten sich Formationen an, unausweichliche Umhüllungen, leere Präsenzen und verschlungene Wege quer durch den Dschungel der Trennungen. Alles wird ineinander übergehen, in eine Halde, die durch den privaten und öffentlichen Raum ständig weiter wuchert, und das Leben gegen sich selbst wendet und auf der Stelle treten lässt. Aus Trash wird Pulp werden, verwüstende massenweise Kompression, Zerdrücken und Zerquetschen der Distanzen und Dimensionen. Im Stadium des Trash kann Müll noch durchwühlt werden, um die Dinge und Spuren des aktuellem Gebrauchs in exemplarischen Arrangements und Ensembles zu sichten. Dagegen löst sich der industrielle Pulp endgültig ab vom Subjekt und seiner Praxis, und tritt seinen Weg an in das malerische Reservoir des tonnenschweren, alles zermalmenden Recycling. Der digitale Papierkorb ist die nostalgische Erinnerung an ein freundliches, manche verworfene Idee noch rettendes Behältnis unterm guten alten Schreibtisch. Er ist ausgestattet mit einem akustischen Knirschsignal, das die Endgültigkeit der Datenlöschung besiegelt, als handelte es sich um einen siegreichen Korbwurf. Die Photographie, die an der Zeit des individuellen Stöberns festhält, leistet Trauerarbeit inmitten des Verschwindens.
Peter V. Brinkemper
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